Wordpress von Null auf Hundert

Null

Wordpress ist der Status Quo in der Webentwicklerwelt. Das bessere Joomla, die Eierlegende Wollmilchsau, das offene Scheunentor zum Server.

Version 1 von Wordpress tauchte im Jahre 2004 auf und hörte auf den Code Namen Davis, nach dem berühmten Jazz Trompeter Miles Davis. Wordpress schickte sich an die Blogging-Engine im Netz zu werden und jedermanns Botschaft ins Netz zu tröten. Free, wie in Free Beer oder Free Jazz – beides Dinge die mich nur peripher tangierten.

Manchmal lief mir eine Wordpress Installation über den Weg, die es zu fixen galt, aber sonst lies ich die anderen machen und kümmerte mich um selbstgestrickten Quellcode. Gehackte Seiten durch halbgare Erweiterungen kannte ich schon von Joomla, da wollte ich mich nicht drauf einlassen.

Dieses Jahr hatte ich dann doch die Gelegenheit etwas tiefer in Wordpress einzusteigen und muss sagen, dass mir das Taxonomie-Konzept1, also alle Inhalte zu Kategorisieren und zu Verschlagworten (Taggen), sehr gut gefällt. Auch wie einfach es ist Metadaten zu jedem Artikel hinzuzufügen hat mich beeindruckt.

Mit der Masse an Themes und Erweiterungen verspricht Wordpress schnelle Ergebnisse und ich habe mich entschlossen meine Skepsis beiseite zu legen, ein taufrisches Wordpress 4.8 zu installieren und 50 EUR für das Themepaket eines Online-Bookstore auszugeben.

Zehn (Wordpress)

Die Installation von Wordpress verläuft wie erwartet sehr einfach. Wordpress war als Blog konzipiert und funktioniert als Blog tadellos, keine Frage.

Als nächstes kaufte ich das Themepack Livre vom Evato Marktplatz ohne wirklich zu wissen, wie die Hersteller des Themes so komplexe Layouts realisieren können, wenn Wordpress eigentlich einfach nur eine Textbox für einen Blog- bzw Seiteneintrag besitzt.

Wie werden komplexe Mehr-Spaltige Layouts erstellt, ohne den Nutzer – für den es ja superleicht sein soll – <div> Blöcke mit verschwurbelten CSS Klassennamen zu schreiben?

Ich wusste, dass einige Module, wie komplexe Kontaktformulare via Contact 72 mit Platzhaltern realisiert werden. Man stellt sein Formular auf einer dedizierten Pluginseite zusammen und fügt einen "Shortcode" in seinen Beitrag ein.


<h5>Mein Formular</h5>

<p>Schreibt mir</p>

[contact-form-7 id="1234" title="Contact form 1"]

Dieser "Shortcode" wird beim rendern der Seite mit dem Formular ersetzt. Ein weit verbreitetes Prinzip, bekannt aus dem Serienbrief-Feature von Microsoft-Word.

Fünfzehn (Theme Installation)

Das Theme war schnell installiert, aber der nächste Schritt forderte mich auf noch eine Handvoll weiterer Plugins zu installieren. Unter anderem WooCommerce3, die bekannteste Online-Store Lösung (sas Zen-cart4 für Wordpress). Weiterhin, Erweiterungen für Woocommerce, von denen ich nicht wusste welche Funktion sie erfüllen, ein Page Builder, ein One-Click Demo Installer und Sachen die sich mir nicht auf den ersten Blick erschlossen.

Mit diesen Abhängigkeiten saß ich in der Wordpressfalle. Stoppt die Entwicklung des einen oder anderen Plugins sitze ich auf einer Wordpressinstallation die das Risiko birgt irgendwann gehackt zu werden.

Aber hoffen wir das beste.

Fünzehn Komma Fünf (Demo-Inhalte)

Im nächsten Schritt bedeutete mir die Installation die Demoinhalte zu importieren.

Wie gesagt, Wordpress bietet ein einziges Textfeld für Inhalte, es ist unmöglich solch komplexe Layouts zu bauen, wenn man nicht die HTML und CSS Struktur kennt – also importiert man sich die kompletten Demo Inhalte5 inkl. Bilder, Videos und allen Theme Varianten.

Respekt an die Vielseitigkeit des Themes, jetzt darf man also anfangen die Demoinhalte zu studieren, anzupassen und irgendwie auf die eigenen Bedürfnisse umzubiegen.

Der Erfahrung nach sehen Demoseiten immer wunderbar aus und die eigenen Anpassungen werden dem nie gerecht. Das größte Minus, wenn man mit fertigen Themes arbeitet: die eigenen Inhalte folgen den Vorgaben des Themes und damit ist alles Schema F und UX Fehler werden 1000-fach wiederholt und zum Standard (das bekannte Hamburger Menü ☰ ist ein Beispiel dafür).

Zwanzig (Im Dunkeln tappen)

Die Demoseiten waren installiert und im Frontend sah alles nur so halb fertig aus. Fehlende Fonts, PHP Fehlermeldungen. Jetzt war Trial&Error angesagt .

Ich öffnete die Theme Doku und klickte wie wild im Backend umher. Als Erstes, um zu sehen wie wohl die Startseite mit den 1000 Layoutvariationen erstellt wurde.

Da war er, der berüchtige Zeichensalat des installierten Page Builders:

Das erinnert an finsterste Adobe GoLive Zeiten 1999. Propritäre Attribute und ein einziger <div> Salat. Damit hängt auch das Schicksal dieser Wordpresseite am KSBuilder und dessen Weiterentwicklung.

Keine Chance hier jemals ein anderes Theme aufzusetzen, welches nicht den KSBuilder benutzt oder unterstützt. Weiterhin steht für Wordpress 5.x ein neuer Editor namens Gutenberg an und im Moment ist die Wordpressgemeinschaft mehr als gespalten darüber6 - eben weil Page Builder nicht kompatibel sind.

Das Versprechen eine umfangreiche Seite trotz kleinem Budget fertigstellen zu können steht trotzdem. Der Nachteil muss in Kauf genommen werden.

Visuelle Page Builder sind das Versprechen von Website Hostern wie Squarespace oder Wix. Auch hier gilt, solange man seine eigenen Inhalte auf die Demovorgaben umbiegt, bekommt man passable Ergebnisse – die Probleme beginnen bei Sonderwünschen und Anpassungen wenn man sich wirklich abheben will.

Fünfundzwanzig (Widgets, Seiten Templates, Menüs, Plugins, Child-Themes)

Wordpress lässt sich auf unendlich vielen Wegen erweitern und die Einstellungen zu Funktionen oder Plugins, finden sich an den verschiedensten Stellen im Backend wieder.

Einiges ist absolut nicht nachvollziehbar und nur durch Zufall zu finden (oder Doku lesen, wenn dokumentiert).

Siebenundzwanzig-Komma-Fünf (Weil ich eh dabei bin)

Learing by doing - Mit grauen Haaren und Halbglatze zum Wordpress-Pro.

Voller Wissbegier und milder Euphorie nahm ich einen Job an, der für Wordpress gut geeignet schien – eine Restaurantseite. 40%7 aller Wordpressseiten sind Gastroseiten. Sie sehen alle gleich aus und es gibt unzählige Templates dafür. Erweiterungen die sich um Tischbestellung kümmern und smoothe Slider die die wohlige Athmo des Etablisment transportieren sind inklusive.

Die Routine gestaltete sich wie vorher beschrieben. Bulk-Plugin-installation und 1GB Demodaten installieren.

Als Page-Builder bietet diesmal WPBakery, angeblich einer der ersten Tools zum visuellen erstellen von Layouts, seine Dienste an. Hier kommt dann auch der Punkt an dem ich Wordpress verfluche.

Auf meiner lokalen Xampp Entwicklungsumgebung ist das Bearbeiten der Seite unerträglich langsam. Zum einen kann da an der Konfiguration der MySQL Datenbank auf meinem System liegen, jedoch bin ich durch alle MySQL/Hosts Datei/DNS Hacks durch – ohne Verbesserung. Ich bin mir sicher der Flaschenhals sind die 10000 HTTP Requests, die alle möglichen Assets für den Pagebuilder nachladen.

Nur marginal besser, performt die Seite auf einem Webhost. Das ist dann auch Kompromiss, weil ich eh nicht am offenen Quellcode operiere.

Die Qulität des WPBakery Page-Builder überzeugt mich nicht. Das explizite formatieren von Blöcken ist umständlich in einem trägen Webinterface. Viele Begriffe erschliessen sich einem nicht. Mir fehlt die Möglichkeit effizient zu arbeiten. Da muss ich jetzt aber durch.

Zwischen Fazit:

Wie befürchtet ist Wordpress das neue Joomla. Eine absolute Katastrophe - von vielen geliebt, von Entwicklern argwöhnisch beäugt.

Viele kleine Tweaks, die man in der function.php im Theme Ordner selbst integrieren kann, sind clever. Zuviele Erweiterungen und man weiß nicht mehr an welcher Stelle, welche Sprachdatei gezogen wird und wieviel verschiedene jQuery Versionen referenziert werden.



  1. WordPress Custom Post Types (Teil2): Selbst individuelle Inhaltstypen und Taxonomies anlegen 

  2. Contact Form 7 — WordPress Plugins 

  3. WooCommerce - The Best WordPress eCommerce Platform 

  4. Zen-Cart ist die bekannte Joomla Shop Extension und ein grauerliches, weitverbreitetes Relikt. 

  5. http://demo.tokomoo.com/livre/books/ 

  6. Will Gutenberg Kill the Page Builder Industry? 

  7. Diese Zahl entbehrt jeglicher Recherche und ist einfach nur ein Schuß ins Blaue.